3.1.2.4 Europäische Aktiengesellschaft - Societas Europaea (SE)
Die Societas Europaea (SE, wörtlich: Europäische Gesellschaft, in
Deutschland: Europäische Aktiengesellschaft) wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der
SE (ABI. 2001 L 294/1; im Folgenden: Verordnung) vom europäischen
Gesetzgeber geschaffen. Sie ist eine neben den bisherigen Gesellschaftsformen mitgliedstaatlich nationalen Rechts stehende europäische Gesellschaftsform. Die Umsetzung in nationales Recht erfolgte mit dem
Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates
vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE)
(SE-Ausführungsgesetz - SEAG) vom 22.12.2004 (BGBl. I S. 3675).
Bei der SE handelt es sich um eine Gesellschaft, deren Mindestkapital in
Höhe von 120000 - EUR (Artikel 4 Abs. 2 der Verordnung) in Aktien
zerlegt ist (Artikel 1Abs. 2 a.a.O.) und vom Verordnungsgeber daher
die Rechtsform einer europäischen Aktiengesellschaft (SE) erhielt
(Artikel 1 Abs. 1 a.a.O.). Damit entspricht die SE von ihrem Gesellschaftstyp einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht (AGdR) insoweit, als sie zu den eher „großen\" und wirtschaftlich starken Gesellschaften zu zählen ist.
Mit der versicherungsrechtlichen Beurteilung von beschäftigten Organmitgliedern einer SE, die deutschem Sozialversicherungsrecht unter
liegen, haben sich der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die BAin ihrer Besprechung über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 13./14.10.2009 befasst (Punkt 1 der
Niederschrift, abrufbar unter www.deutsche-rentenversicherung-bund.
de/Zielgruppen/Arbeitgeber und Steuerberater/Publikationen, Vorträge
und Termine/Besprechungsergebnisse/Beitragseinzug - Niederschriften/2009).
Danach ist ein Rückgriff auf die vom BSG in seinem Urteil vom
27.2.2008 - B\' 12 KR 23/06 R - (in: SozR 4-2600 § 1 Nr. 3; BSGE 100,
62; USK 2008-28; Die Beiträge Beilage 2008, 297 zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Mitglieds des BoD einer irischen private
limited Company, vgl. dazu 3.1.2.3) entwickelten Grundsätze nur insoweit erforderlich, als es für eine tatbestandliche Gleichstellung auch im
Hinblick auf beschäftigte Organmitglieder einer SE einer gesetzlichen
Äquivalenzregel auseinschlägigem, unmittelbar zu beachtendem Recht
bedarf. Ob und inwieweit eine tatbestandliche Gleichstellung beschäftigter Organmitglieder einer SE gegeben ist, ist folglich direkt anhand
der Bestimmungen der Verordnung in Verbindung mit dem SEAG zu
prüfen.
Artikel 10 der Verordnung bestimmt zwar, dass eine SE in jedem
Mitgliedstaat wie eine AG, die nach dem Recht des Sitzstaates der SE
gegründet wurde, zu behandeln ist, dies gilt jedoch nur vorbehaltlich der
Bestimmungen der Verordnung.
Nach der Regelungssystematik der Verordnung (Artikel 9) unterliegt
eine SE vorrangig den Bestimmungen der Verordnung, sodann - sofern
die Verordnung dies ausdrücklich zulässt - den Bestimmungender Satzung der SE; in den nicht oder nur teilweise durch die Verordnung geregelten Bereichen bzw. Aspekten den nationalen SE-Gesetzen, ferner
den jeweiligen Rechtsvorschriften, die für AGen im Sitzstaat der SE Anwendung finden und schließlich den Bestimmungen ihrer Satzung unter den gleichen Voraussetzungen wie AGen im jeweiligen Sitzstaat der SE.
Im Hinblick auf die Anwendbarkeit von § 1 Satz 4 SGB VI wäre somit
eine SE schlechthin wie eine AGdR zu behandeln, wenn die Regelungen
der Verordnung mit dem AktG im Wesentlichen übereinstimmten. Dies
ist jedoch nicht der Fall, weil nach der Verordnung unterschiedliche verwaltungsstrukturelle
Ausgestaltungen-einer SE zulässig sind, der sogenannte monistische und der dualistische Aufbau (Artikel 43 ff. bzw. Artikel 39 ff.). Den monistischen Aufbau kennt das AktG jedoch nicht,
sondern allein den dualistischen Aufbau mit je einem separaten Leitungs-
und einem Aufsichtsorgan.
Daes sich somit um einen nur teilweise durch die Verordnung geregelten Bereich bzw. Aspekt handelt, unterliegt die SE hier den nationalen
SE-Gesetzen, die nach Artikel 9 Abs. 2der Verordnung im Einklang stehen müssen mit den maßgeblichen Richtlinien für AGen i.S. des Anhangs 1der Verordnung; für Deutschland also der maßgebenden Richtlinie für die AGdR, dem AktG.
Den Einklang der für eine SE zulässigen unterschiedlichen verwaltungsstrukturellen Ausgestaltungen mit dem AktG stellt § 20 SEAG dadurch
her, dass beim monistischen System anstelle der den Vorstand und den
Aufsichtsrat betreffenden Vorschriften der §§ 76 bis 116AktG die besonderen Regelungen des SEAG gelten. Organe der SE sind danach
beim monistischen Aufbau der Verwaltungsrat (§§22 ff. SEAG) und die
geschäftsführenden Direktoren (§§ 40 ff. SEAG).
Keines dieser Organe entspricht von seiner Funktion und seinen Kompetenzen her allerdings dem Vorstand einer AGdR. Die geschäftsführen
den Direktoren führen die Geschäfte der Gesellschaft (§40 Abs. 2
SEAG) und vertreten diese nach außen (§41 SEAG). Siekönnen jeder
zeit durch Beschluss des Verwaltungsrates abberufen werden, es sei
denn, in der Satzung ist etwas anderes bestimmt (§ 40 Abs.5 SEAG).
Der Verwaltungsrat leitet demgegenüber die Gesellschaft, bestimmt die
Grundlinien der Tätigkeit und überwacht deren Einhaltung (§ 22Abs. 1
Satz 1 SEAG). Damit trägt der Verwaltungsrat - anders als der Aufsichtsrat der AGdR - nicht nur die Überwachungsverantwortung, sondern hat ein Letztentscheidungsrecht und übernimmt die Letztverantwortung für die Unternehmenspolitik. Mitglieder des Verwaltungsrats
können von der Hauptversammlung mit einer Mehrheit von mindestens
drei Viertel der abgegebenen Stimmen vor Ablauf der Amtszeit abberufen werden, sofern nicht die Satzung eine andere Mehrheit und weitere
Erfordernisse vorsieht; dies gilt selbst dann, wenn die Verwaltungsratsmitglieder von der Hauptversammlung ohne Bindung an einen Wahlvorschlag gewählt worden sind.
Demgegenüber führt der Vorstand einer AGdR die Geschäfte der Gesellschaft ausdrücklich in eigener Verantwortung, leitet die Gesellschaft und
kann nur aus wichtigem Grund abberufen werden (§§ 76 Abs. 1, 77
Abs. 1 und 84 Abs. 3 AktG). Seine Rechtsstellung ist mithin deutlich
stärker als die der geschäftsführenden Direktoreneiner SE.
Die Verwaltungsratsmitglieder der monistischen SE sind den Mitgliedern des Vorstandes einer AGdR zwar hinsichtlich der Leitungsfunktion
vergleichbar, nicht aber in Bezug auf die Geschäftsführung. Das SEAG
geht davon aus, dass diese Aufgabe von den geschäftsführenden Direktoren (analog dem Vorstand der AGdR) wahrgenommen wird.
Gleichzeitig übernimmt der Verwaltungsrat mit seiner Überwachungsfunktion Aufgaben, für die in der AGdR der Aufsichtsrat zuständig ist.
Zwar räumt § 40 Abs. 1 Satz 2 SEAG die Möglichkeit ein, Mitglieder
des Verwaltungsrats zu geschäftsführenden Direktoren zu bestellen.
Dies bedeutet aber nicht, dass geschäftsführende Direktoren des Verwaltungsrats rechtlich die Funktionen beider Organe in sich vereinen. Nach
§ 40 Abs. 2 Satz 2 SEAG können die gesetzlich dem Verwaltungsrat
zugewiesenen Aufgaben nicht auf die geschäftsführenden Direktoren
übertragen werden. Schließlich ist die Rechtsstellung von Verwaltungsratsmitgliedern auch aufgrund der möglichen Abberufungsgründe von
Verwaltungsratsmitgliedern nicht derjenigen von Mitgliedern des Vorstands einer AGdR vergleichbar.
Nach Auffassung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutsche Rentenversicherung Bund und der BA(vgl. a.a.O.) ergibt sich daher die folgende sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von beschäftigten
Organmitgliedern einer monistisch bzw. dualistisch strukturierten SE.
zurück zu: 3.1.2.3 EU-mitgliedstaatliche Kapitalgesellschaften
weiter zu: 3.1.2.4.1 Monistisch strukturierte SE
Quelle: Deutsche Rentenversicherung
Zurück zum Inhaltsverzeichnis Selbständige in der Rentenversicherung
Rentenversicherung fordert nur schriftlich zu Zahlungen auf
...
Rentenversicherungsbericht 2019 verabschiedet
...
Deutsche Rentenversicherung: Haushaltshilfe als Minijobber anmelden
...
Zur Rentenberatung lieber nicht zur Rentenversicherung
...
Kein Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit: Zur negativen Entscheidung des Rentenversicherungsträgers
Reichweite der Nahtlosigkeitsregelung des § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III
Anders als die positive Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit (EU), lässt die negative Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, dass keine EU vorliegt, die Fiktionswirkung des § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III (sog. Nahtlosigkeitsregelung) nicht entfallen (Anschluss an ...